Zu Gast in Tokio mit Professor Vadim Issakov von der TU Braunschweig
Die Kooperation im Quantencomputing zwischen der TU Braunschweig und der Keio Universität in Tokio nahm über den Sommer weiter Fahrt auf. Zunächst reiste Professor Vadim Issakov nach Japan und lehrte zu analogen, integrierten Schaltungen in der Biomedizin. Darauf folgte ein Workshop zu „Next Generation Quantum Computing“, bei dem vor allem Forschende aus dem japanischen Quantencomputer-Programm mit denen des Quantum Valley Lower Saxony zusammenkamen. Schließlich erwiderte der japanische Professor Hiroki Ishikuro den Besuch mit einer Gastvorlesung in Braunschweig. Von begeisterten Studierenden über neue Kooperationsoptionen bis zur Erkundung der japanischen Kultur: Nach seinem deutsch-japanischen Sommer sprüht Professor Vadim Issakov geradezu vor lauter Eindrücken.
Herr Issakov, die erste Station Ihrer Reise nach Tokio war eine Gastvorlesung an der Keio Universität. Warum lohnt sich so etwas?
Zunächst einmal wurde ich vom herzlichen Empfang überrascht, den mir meine japanischen Kollegen Professor Hiroki Ishikuro und Professor Nobuhiko Nakano bereiteten. Auch wenn ich kaum noch die Augen offenhalten konnte: Bereits das erste Abendessen war ein Reise-Highlight. Direkt am darauffolgenden Tag startete die Vorlesung, fünf Tage lang je drei Blöcke zu integrierten Schaltungen in der Biomedizin. Während die japanischen Kollegen Experten für digitale und mixed-signal Schaltungen sind, konzentriert sich meine Forschung vor allem auf analoge Schaltungstechnik. In der Biomedizin können damit etwa die elektrischen Signale der Zellen ausgemessen werden – also die Informationen, die beispielsweise über Herz- und Gehirnfunktionalität Auskunft geben. Inhaltlich war meine Vorlesung wie das fehlende Puzzleteil des japanischen Lehrplans, genauso wie die Vorlesung von Ishikuro zu Analog-Digital-Umsetzern drei Wochen später perfekt mein Braunschweiger Angebot ergänzen sollte.
Entsprechend konnte ich mich über rege Beteiligung, sowohl von den Studierenden als auch von den beiden Professoren freuen. Genau für diese Interaktion hatte sich die Reise bereits gelohnt. Mit den Studierenden hatte ich zwischen und nach den Vorlesungen viele vertiefende Gespräche oder wurde nach ergänzenden Veröffentlichungen gefragt. Besonders freut mich, dadurch auch erstklassige potenzielle Bewerber*innen für Promotions- und Postdoc-Stellen bei uns gewonnen zu haben. Im Gespräch mit Ishikuro und Nakano konnten wir zudem die Fragestellungen der Vorlesung direkt auf ihre Forschungsthemen übertragen. Einen größeren Erfolg kann man sich für eine Vorlesung nicht wünschen.
Mit dem Workshop „Next Generation Quantum Computing“ folgte direkt eine weitere Veranstaltung in Tokio – klingt nach einem straffen Zeitplan.
Zwischen Vorlesung und Workshop hatte ich zum Glück noch ein bisschen Zeit, um mehr von Japan kennenzulernen als das japanische Essen und Grüntee in exotischsten Varianten. Spätestens als ich mit dem Shikansen-Schnellzug in Japans einstige Hauptstadt Kyoto gereist bin, war ich endgültig auf der anderen Seite der Welt angekommen. Von meiner traditionellen Unterkunft (Ryokan), ausgestattet mit dem „Sommer-Kimono“ namens Yukata, konnte ich ein paar Ausflüge zu berühmten Sehenswürdigkeiten unternehmen.
Dass ich in dieses japanische Abenteuer und entspannt in den Workshop starten konnte, verdanke ich zudem meinem Doktoranden Peter Toth. Nicht nur, dass es ohne ihn keine Brücke zwischen Tokio und Braunschweig entstanden wäre, er hat auch noch einen großen Anteil der Organisation des Workshops übernommen. Von der Vorlesung zum Workshop war es zudem inhaltlich ein fließender Übergang. Ein Aspekt unserer Kooperation ist ohnehin der Bereich Quantencomputing. Gerade im Bereich der kryogenen Elektronik können wir im Quantum Valley Lower Saxony viel von Professor Ishikuro lernen.
Mit Ihren Beiträgen zum niedersächsischen Quantencomputerprojekt und als technischer Leiter von Qumic waren Sie auf jeden Fall am richtigen Ort. Wen haben Sie denn beim Workshop getroffen?
Tatsächlich eine sehr bunte Personengruppe. So eröffnete zunächst die deutsche Botschaft den Workshop als Schirmherrin und lobte die Zusammenarbeit zu Quantencomputing über sieben Zeitzonen hinweg. Zudem gab es neben den Ko-Organisatoren des deutschen Wissenschafts- und Innovationshauses Tokio (DWIH Tokio) Besuch vom örtlichen DLR-Büro und dem DAAD Japan. Ein Großteil der Teilnehmenden waren japanische Wissenschaftler*innen, die am nationalen „Moonshot Programm“ beteiligt sind. Hinter dem Namen „Moonshot“ stehen eine ganze Reihe zukunftsweisender wissenschaftlicher Projekte, unter ihnen auch der Bau von Quantencomputern.
Inhaltlich war der Workshop zweigeteilt: Am ersten Tag stand unser niedersächsische Ansatz, ein Quantencomputer auf Basis von Ionenfallen im Fokus. Am zweiten Tag folgte der Aufbau mit supraleitenden Qubits, den auch das japanische Programm verfolgt. Die Vorträge selbst wiederum waren sehr vielseitig: Unter anderem waren etwa Vorträge von Google und Infineon dabei. Dabei rückte immer wieder das Thema Skalierbarkeit in den Mittelpunkt. Unabhängig vom Ansatz fangen alle mit einer Handvoll Qubits an und versuchen sich dann zu steigern. Und der einzige Weg führt hierbei über die Elektronik: Wie baut man die Schaltungen? Welche Anforderungen sind da? Wie kann man diese Schaltungen bei Tiefsttemperaturen vermessen? Das sind die Fragen, die die Teilnehmenden aktuell antreiben.
Neben dem forschungsintensiven Austausch gab es vor Ort auch viele Gelegenheiten zum Netzwerken und damit Wege zu neuen Kooperationen. So war etwa ein Professor aus Kyoto besonders engagiert und insbesondere die metrologische Forschung der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt sehr gefragt.
Im direkten Anschluss an den Workshop kam Professor Ishikuro an die TU Braunschweig, um seine Gastvorlesung über Analog-Digital-Umsetzer zu halten. Ist das nun der vorläufige Schlusspunkt des deutsch-japanischen Sommermärchens?
Es ist auf jeden Fall der Abschluss für eine sehr intensive Zeit des Austauschs. Die Kooperation ist jedoch lebendiger denn je. Aktuell forscht zudem mit Masayuki Ichikawa ein Mitarbeiter von Ishikuro bis Dezember 2022 an unserem Institut für CMOS Design. Gleichzeitig ist Peter Toth bis Ende Januar 2023 in Japan. Und von beiden Institutionen haben sich weitere Studierende gemeldet, die am Austausch teilnehmen möchten. Schließlich gibt es in der durch persönlichen Kontakte gestärkten Beziehungen jetzt noch mehr Anknüpfungspunkte.